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Small Talk // Worte sind Taten

Aktualisiert: 27. Mai 2020


Den wichtigsten Erfolgen in unserem Leben liegen Schlüsselmomente, entscheidende Wendungen, zu Grunde und meistens basieren sie auf instinktiver, authentischer Kommunikation. Lass’ mich eine kleine Geschichte erzählen.

Ich möchte Dich auf eine Zeitreise an den Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts mitnehmen. Sie waren für die Branche der Informationstechnologie eine aufregende Ära, weil sie die Grundlagen für die Digitale Revolution und die damit verbundenen gesellschaftlichen Umbrüche schufen. Personal Computer wurden erschwinglich, was dazu führte, dass sich neben Computerfreaks auch Normalverbraucher mit der Nutzung von Computern, Mobiltelefonen und dem Internet beschäftigten.


Die Neunziger Jahre legten dank den Leistungssprüngen in der Computerhardware auch den Grundstein für Softwarefirmen, etwa in Anwendungen der computergestützten Konstruktion. Ein Pionierunternehmen in diesem Feld war das im Jahr 1985 gegründete Computersoftware- und Dienstleistungsunternehmen PTC mit Hauptsitz in Boston an der amerikanischen Ostküste. Sie verdiente mit seinen CAD-Anwendungen gutes Geld.

Ich war beauftragt, für PTC ab 1991 in einem ersten Schritt die Landesorganisation in der Schweiz aufzubauen und dann in einem zweiten Schritt, nach einer Beförderung, habe ich auch noch die Verantwortung für Österreich und eine regionale Organisation in Süddeutschland übernommen. Ich erinnere mich noch genau an unseren damaligen CEO Dick Harrison und unsere erste Begegnung, so als ob sie erst gestern stattgefunden hätte.


«Roland, bist Du nervös?» Authentisch kommunizieren

Es war an einem wunderschönen Sommertag in Cannes an der französischen Südküste, wo ich mich wegen meiner Beförderung befand und auf den Segen unseres CEOs, der zufälligerweise auch an der Côte d’Azur unterwegs war, warten musste. Es war acht Uhr morgens und wir hatten uns im Foyer eines noblen Fünfsternhotels im Art Déco-Stil an der Promenade Croisette verabredet, in dem Dick logierte. Ich selber war natürlich an einem bescheideneren Ort untergebracht, in einem Hotel mit drei Sternen über dem Eingang. Ich stand da in der Lobby und harrte der Dinge, die da kommen sollten.


Plötzlich hörte ich seine Stimme hinter mir. «Roland, bist Du nervös?» Ich drehte mich um und da stand er, der leicht untersetzte Dick Harrison mit seinem feuerroten Haarschopf und einen Kopf kleiner als ich. Die meisten Menschen, die ich kenne, sind einen Kopf kleiner als ich. Aber Dick Harrisons Augen musterten mich von Kopf bis Fuss. Was hatte er gesagt? Nervös? Bin ich nervös? Mir gingen verschiedene Gedanken durch den Kopf wie in einem Film. Aber ich brauchte blitzschnell eine schlagfertige Antwort. Bekanntlich gibt es keine zweite Chance für einen ersten Eindruck. Ja, was genau wollte ich jetzt antworten?

"Wenn Du nicht willens bist, Freunde zu schaffen, bist Du nicht im Geschäft."

«Ich werde meine Umsatzvorgabe in diesem Quartal um 65 Prozent übertreffen und deine Firma braucht erfolgreiche Leute wie mich. Somit besteht für mich kein Anlass nervös zu

sein», antwortete ich. Das sass. CEO Dick Harrison lächelte und meinte: «Lass uns gemeinsam frühstücken.»

Beim Frühstück erzählte mir Dick Harrison dieses und jenes und dass er nach unserem Gespräch auf einen Segeltörn in Richtung Balearen unterwegs sei. Es war Small Talk. Er hat mir keine klassischen Interviewfragen gestellt. Wir haben kein Wort übers Geschäftliche verloren. Nach einer Stunde sagte er, er müsse jetzt los und schon fast beiläufig meinte er, ich hätte die Beförderung im Sack. Ab sofort war ich Regional Sales Director mit Verantwortung für fünfzig Mitarbeiter an den Standorten Zürich, Friedrichshafen und Wien.

Die Nordamerikaner haben ein unverkrampftes Verhältnis zum Small Talk, weil sie dessen Wert erkennen. Weil wir Menschen sind, lernen wir uns besser über emotionale Gespräche als über intellektuelle Monologe kennen. Beim Frühstück oder Lunch mit Ihrem Chef geht es deshalb nicht ums Essen. Es ist ein Pitch. Alles dreht sich um Deine Kommunikationsfähigkeit.

Vertrauensbildung: Erst die Freundschaft, dann das Geschäft

Die darauffolgenden PTC-Jahre waren für mich sehr spannend. Sie wurden zu einer Zeit, in der ich viel über die nordamerikanische Geschäftskultur lernte. Die Unterschiede zur schweizerischen respektive deutschen Geschäftskultur könnten nicht grösser sein. Unzählige Male bin ich auf die Aussage «first we make friends, then we do business» gestossen. Sie ist eine Art unabdingbare Voraussetzung der amerikanischen Geschäftskultur. Amerikaner betrachten Small Talk als ein gewolltes, notwendiges Spiel und gelangen mit ihm zu Entscheidungs-findungen. Davon können Menschen der alemannischen Kultur viel lernen. Wer einmal mit seiner Small Talk-Gesprächskultur anfängliche Hürden überwunden hat, der stösst bei Nordamerikanern auf eine solide freundschaftliche Basis, auf Respekt und Vertrauen. Dick Harrison wollte prüfen, ob sich der Mensch Roland Kümin als offene und kommunikative Person verhält. Was manchmal als «Pflegegeplauder» bezeichnet wird, ist der Kitt, der Menschen in den unterschiedlichsten Rollen zusammenhält. Im Smalltalk geht es darum, Kontakte zu schaffen und eine Brücke zu bauen. Die Autorin von «The Serious Business of Small Talk» Carol Fleming sagt: «Für mich ist Small Talk das Geräusch von Menschen, die sich gegenseitig erreichen. Es ist der Klang von Menschen, die nach Wegen suchen, Gemeinsamkeiten, das Angebot von Freundschaft zu finden. Small Talk ist ein linguistischer Mechanismus, der es uns erlaubt, einen Fremden in ein Familienmitglied zu verwandeln.»

Small Talk ist big talk. Nicht die Fakten in Deiner Power-Point-Präsentation werden Dein Unternehmen prägen, sondern die Vertrauensbildung mit Deinen Interessensgruppen, sei das mit einem Investor, mit Deinem neuen Mitarbeiter, mit den Aktionären oder mit der Presse. Wenn Du nicht willens bist, Freunde zu schaffen, bist Du nicht im Geschäft. Und immer ist Authentizität im Dialog die Voraussetzung, dafür, dass Menschen sich im wahrsten Wortsinn angesprochen fühlen.



So trainierst Du den Smalltalk-Muskel
- Lies die Tagesnews und sprich darüber.
- Gehe gezielt an Veranstaltungen, um Small Talk zu üben.
- Hör bei Gesprächen von Verkaufstrainern und Small Talk-Profis genau zu.
- Verwende W-Fragen: «Und was bringt Dich heute Abend an unseren Anlass?»
- Entwickle Nuancen und Muster für den Small Talk. Trainiere sie.
- Entwickle ein intuitives Verständnis dafür, was im Small Talk funktioniert – und was nicht.
- Nimm jede Small Talk-Gelegenheiten wahr.

Dies ist ein Auszug aus dem neuen Buch «Lessons Learned - Impulse und Tipps für die Startup Szene Schweiz» von mir und weiteren erfolgreichen Unternehmern, Experten und Investoren im Interview. Das Buch im Format 18,3 x 23,4 cm enthält ca. 260 Seiten und ist im Hardcover zum Preis von 49,99 EUR im Buchhandel erhältlich. Bis einschliesslich 10. Juli 2020 kannst Du das Buch, welches Mitte August 2020 erscheint, zum Subskriptionsangebot von 39.- CHF erwerben (inklusive Versand in der Schweiz).


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